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Irland: Warum ist das Rauchverbot so erfolgreich? - Teil 2

[29.07.2004/pk] Im ersten Teil dieses Artikels (siehe "Irland: Warum ist das Rauchverbot so erfolgreich? - Teil 1") wurden bereits ausführlich die Vorbedingungen für das Rauchverbot aus der grünen Insel erläutert. Im hier vorliegenden zweiten Teil sollen nun die wichtigsten Details näher erläutert werden, die eine erfolgreiche Umsetzung und Durchsetzung des Rauchverbots ermöglichten.

Seinen Ursprung findet das Rauchverbot im Arbeitsschutzgesetz, das vom irischen Parlament im vergangenen Jahr verabschiedet wurde. Auslöser dafür war zum einen die wissenschaftliche Erkenntnis, dass in Irland etwa 7500 Menschen jährlich an den Folgen des Rauchens sterben, eine beachtliche Zahl auf die Gesamtbevölkerung bezogen. Diese Quote von Todesopfern bezogen auf die Bevölkerungszahl ist jedoch annähernd die gleiche wie in Deutschland. Weitere Motivation für die irischen Gesundheitspolitiker um Minister Micheál Martin waren die explodierenden Gesundheitskosten, die durch das Rauchen noch potenziert werden. Einer derartigen Herausforderung hält kein Sozialsystem lange Stand, und Irland wollte damit nicht bis zum Herannahen eines Kollapses warten.

Als Gegenmaßnahme wurde das Rauchen am Arbeitsplatz verboten. Die irische Regierung ließ sich jedoch nicht wie das Negativvorbild Deutschland massiv von der Tabaklobby beeinflussen, sondern handelte konsequent und machte Nägel mit Köpfen. Hervorzuheben ist dabei insbesondere, dass die Schutzwürdigkeit der Beschäftigten in der Gastronomie auf die gleiche Stufe mit allen anderen Beschäftigten gestellt wurde. So kam es letztendlich zum vollständigen Rauchverbot in den geschlossenen Räumen aller Pubs und Restaurants. Ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo die verantwortlichen Politiker sich dem Diktat der Tabaklobby beugten, und das Leben und die Gesundheit der Beschäftigten in der Gastronomie einem äußerst fragwürdigen finanziellen Profit geopfert werden.

Das Rauchverbot in Irland findet eine breite Zustimmung bei 80 Prozent der Bevölkerung. Aber nicht nur, wie hauptsächlich zu erwarten, bei geplagten Nichtrauchern. Nein, sogar stolze 61 Prozent der Raucher befürworten diese Regelung (Quelle: WDR). Dieser Prozentsatz liegt aber auch in einer ähnlichen Größenordnung wie der Anteil der aufhörwilligen deutschen Raucher.

Übrigens: auch in Deutschland ist eine breite Mehrheit für ein derartiges Rauchverbot. Unsere Politiker betrachten aber offensichtlich des Volkes Meinung nur als zweitrangig. Schließlich ist ihnen der Profit ihrer Parteikassen (und vielleicht auch die ein oder andere "persönliche Spende" der Tabaklobby für "besondere Leistungen" im Kampf gegen Nichtraucher) anscheinend wichtiger. Deshalb können die Deutschen vorerst nur weiter von irischen Verhältnissen träumen (wie auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt), und weiter dafür kämpfen.

Der irische Gesetzgeber ist sich sehr wohl im Klaren, dass ein Gesetz nur dann etwas wert ist, wenn es sich praktisch durchsetzen lässt. Und da eine (Nikotin-)Sucht auch rationale Verhaltensweisen beeinträchtigt, sind natürlich gewisse Kontrollmechanismen unerlässlich, die dafür sorgen, dass auch bei der Suchtbefriedigung der gesetzliche Rahmen zu beachten ist. Es war also Vorsorge zu treffen, dass die praktische Umsetzung der neuen Gesetzgebung nicht durch eine Minderheit militanter Raucher oder gewissenlose Profitgeier gesprengt werden kann.

Vor allem gegen skrupellose Geschäftemacher richtet sich die Androhung von empfindlichen Strafen bis zu 3.000,- Euro im Falle des wiederholten Ignorierens von Verwarnungen und Verletzungen des Arbeitsschutzgesetzes. Deshalb gilt diese Androhung auch insbesondere den Wirten, die Verletzungen in ihren Räumlichkeiten dulden oder sogar unterstützen, und nicht einzelnen uneinsichtigen Gästen.

Die vorgenannten Fälle stellen jedoch nur den Extremfall dar, der angesichts einer breiten Zustimmung großer Bevölkerungsteile auch nur für den Ausnahmefall bereit gehalten wird. Hauptaugenmerk wurde deshalb auf eine umfassende Information der Bevölkerung gerichtet, insbesondere an den Brennpunkten. So ist es Vorschrift, dass an allen Arbeitsstätten (natürlich einschließlich Pubs und Restaurants) Rauchverbotsschilder für alle sichtbar angebracht sind. Darauf muss auch der Ansprechpartner genannt sein, der im Fall von Problemen und Verletzungen des Rauchverbots verantwortlich ist. Aber auch die Hotline für Beschwerden ist darauf enthalten. Diese Hotline unterliegt keinerlei Einfluss der Tabakindustrie. Dadurch wird verhindert, dass sich das (wieder einmal negative) deutsche Vorbild wiederholt, wo der BDTA als angebliche Kontrollinstanz für Verstöße gegen die Selbstbeschränkungsvereinbarung dient, also letztendlich der Bock zum Gärtner gemacht wurde.

Für die Mitarbeiter gibt es spezielle Informationen, die häufig auch in Plakatform aushängen. Darin enthalten sind die wichtigsten Fakten über das Arbeitsschutzgesetz, und warum das Rauchverbot notwendig ist. Weiterhin Verhaltensregeln, wie den Gästen und Kunden (alle Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr wie Bars, Restaurants, Bäckereien usw.) die Regelung näher gebracht werden kann. Und natürlich auch Hilfestellung, wie mit renitenten uneinsichtigen Kampfrauchern verfahren werden sollte.

Das beste Gesetz nützt nichts, wenn sich niemand um dessen Einhaltung sorgt. Deshalb gibt es beispielsweise, wie schon zuvor erwähnt, empfindliche Strafen für renitente Gesetzesbrecher. Auch wenn manchem die Androhung von Geldstrafen für die Wirte etwas hart erscheint, bei ihnen besteht die größte Gefahr, aus eigennützigen wirtschaftlichen Interessen Verstöße gegen das Gesetz zuzulassen oder gar zu fördern. Erster Präzedenzfall war bereits das "Fibber Magees" in Galway, dessen Gesetzesbruch erfolgreich abgestellt werden konnte. Sowohl Exekutive als auch Judikative waren auf derartige Fälle vorbereitet worden. Die Polizei hatte konkrete Verhaltensregeln erhalten, und konnte von der Pub-Revolte nicht überrascht werden. Die Rechtssprechung, deren Einschreiten (Tätigwerden des obersten Gerichts - "High Court") in letzter Minute durch Einlenker der Aufständischen verhindert werden konnte, ist ebenfalls vorbereitet. Auch hier wurde von vornherein der nachlässigen Haltung gegengesteuert (anders als das in Deutschland gerne praktizierte Motto "sehen wir erst mal, ob es zu Gerichtsverhandlungen kommt, und wenn ja, was dabei herauskommt...").

In diese Kategorie (Durchsetzung der Einhaltung) fallen auch die zusätzlich eingeführten Kontrolleure zur Überwachung der neuen Schutzbestimmungen. Leider ist es nun einmal Tatsache, dass einige Menschen ohne Kontrolle die eigenen Grenzen ihrer persönlichen Freiräume allzu oft überschreiten, ohne Rücksicht auf eine etwaige Schädigung ihrer Mitmenschen. Letztendlich fallen diese Kontrollen des Arbeitsschutzgesetzes in die gleiche Kategorie wie die Aufgaben der Lebensmittelpolizei. Sie verhindern, dass Menschen unzumutbaren konkreten Gesundheitsgefahren ausgesetzt werden. Es ist nicht einzusehen, warum für die "Volksseuche" Rauchen plötzlich von den (überall sonst) geltenden Gesetzen Ausnahmen gemacht werden. Angesichts der besonderen Gefährlichkeit des Rauchens wäre die einzig denkbare Sonderregelung eine Verschärfung aller Maßnahmen gegen die Tabakdrogensucht.

Neben dem eigentlichen Arbeitsschutz wird das Gesetz aber auch durch entsprechende Regelungen zum Jugendschutz und zu deren Umsetzungen begleitet. Im Artikel "Irland: Vorbildlicher Jugend- und Gesundheitsschutz" wurden bereits die Maßnahmen erläutert, mit denen beispielsweise die ungesetzliche Versorgung Jugendlicher an Zigarettenautomaten verhindert wird. Zusammen fassend lässt sich auch hier fest stellen, dass Irland nicht nur theoretische Gesetze verabschiedet hat, sondern konkrete Maßnahmen umgesetzt hat, die sich dort auch schon in der täglichen Praxis bewährt haben.

Bei dieser Aufzählung sollte das Tabakwerbeverbot in Irland nicht fehlen. Es wurde zwar nicht im Rahmen des neuen Arbeitsschutzgesetzes erlassen, trägt jedoch sicherlich dazu bei, dass der Tabakkonsum in Irland - ganz im Gegensatz zu Deutschland - nicht als eine allgegenwärtige, alltägliche und unausweichliche Sucht wahrnehmbar ist.

Liebe Leser, Sie sehen, dass eine ganze Menge Arbeit und Organisation dazu gehört, ein solches Rauchverbot nicht nur per Gesetz zu erlassen, sondern auch in die Praxis umzusetzen. Bisher redet sich die deutsche Bundesregierung, aber auch der DEHOGA, immer wieder mit angeblich undurchführbaren Einzelaspekten heraus - sofern man auf seine Nachfragen oder Kritik überhaupt eine Antwort erhält. Deshalb müssen wir bei unseren Bemühungen verstärkt auf die Aufklärung dieser hochbezahlten Ahnungslosen setzen. In Petitionen (auf deutscher wie europäischer Ebene) müssen wir unsere Forderungen wiederholen, und diese insbesondere durch praktikable Lösungsmöglichkeiten untermauern. Dabei kann auch der Hinweis nicht schaden, dass die genannten Lösungsmöglichkeiten sogar schon erfolgreich in der Praxis (in Irland) umgesetzt wurden.

Weitere Artikel über Auswirkungen und Ereignisse rund um das Rauchverbot in Irland folgen auf dieser Seite in Kürze.


Quellen und weitere Informationen:

Beschwerdeautomat
Aufforderung zur Ablehnung von Ehrungen und Preisen der Tabakindustrie
Raucher werden weder diskriminiert noch ausgeschlossen
Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen
Petition und Politikeranschreiben für Kinderschutz im Auto
Beschwerde über verqualmte Veranstaltungsstätten (Theater, Konzertsäle, Kinos, ...)
Beschwerde beim Deutschen Presserat über Berichterstattung
Feinstaub wird nicht nur von Kraftfahrzeugen produziert
Anfrage wegen Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften etc.
Anfrage wegen Sponsoring durch Tabakindustrie (Verbände und Parteien)
Bitte um Begleichung der Reinigungskosten für Garderobe
Irland
Deutschland Schlusslicht bei Tabakkontrolle
Irland intensiviert Kampf gegen Schmuggel
Wie dumm sind rauchende Jugendliche?
Irland: Jugendliche kommen viel zu leicht illegal an Tabakdrogen
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Irische Kids qualmen weniger
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