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Fotodokumentationen

Smartphone-Apps für Tabakwerbung missbraucht

Tabakindustrie fängt Jugendliche im Netz

[27.10.2012/pk] Der Apple-Konzern war bereits mehrfach in die Schlagzeilen geraten, weil er Programme wegen angeblich zu viel nackter Haut ohne Vorwarnung aus seinem Internet-Store entfernt hatte. Betroffen waren davon unter anderem der Stern und eine Boulevard-Zeitung, aber auch japanische Bademoden wurden in einer Löschaktion von insgesamt 5.000 Anwendungen ohne Vorwarnung gelöscht. Weitaus weniger moralisch zeigt sich der Computer-Konzern aus Kalifornien jedoch, wenn es um Tabakdrogen geht, wie eine aktuelle Studie aus Australien ermittelte.

Ein Team von Wissenschaftlern der Universität Sydney fand 107 "raucherfreundliche" Programme für Smartphones, die direkt oder indirekt für das Rauchen werben. Darunter fanden sich in Spiele verpackte Anleitungen zum Selbstdrehen von Zigaretten oder Anreize, die Figuren rauchen zu lassen. Für den Kauf von Zigaretten können die Benutzer Punkte sammeln oder Tipps einholen, wo Tabakwaren erhältlich sind. Andere Apps zeigen mittels einer glimmenden Zigarette den Ladezustand des eingebauten Akkus an oder bieten Bilder von Tabakmarken und Zigaretten als Bildschirmhintergrund zum Herunterladen an.

Die betreffenden Programme finden sich unter anderem in den Katgegorien Unterhaltung, Spiele, Lifestyle und sogar unter Gesundheit und Fitness. Einige simulieren das Rauchen und geben vor, bei der Rauchentwöhnung behilflich zu sein. Die australischen Wissenschaftler weisen jedoch darauf hin, es gäbe keinerlei Belege, dass die Simulation von Tabakkonsum Rauchern beim Aufhören helfen würde. Hingegen existieren anerkannte wissenschaftliche Beweise dafür, dass die Gewohnheit dadurch verfestigt würde. Studienleiter Dhim erläutert, generell würden die simulierten Verhaltensweisen verstärkt und nicht abgeschwächt. Es handele sich dabei um einen normalen Lernprozess.

Die betreffenden Programme, auch als Apps bezeichnet, sprechen in iPhone- und Android-Versionen eine potenzielle Kundschaft von inzwischen etwa 6 Milliarden Mobiltelefon-Nutzern weltweit an. Die junge Generation ist bereits mit dem Handy aufgewachsen und weist die höchste Marktdurchdringung bei Smartphones auf. In vielen Industrienationen besitzt inzwischen mehr als die Hälfte der Jugendlichen ein Smpartphone.

Genau diese jungen Menschen stellen jedoch auch aus zwei Gründen die Hauptzielgruppe der Tabakindustrie dar. Die meisten Nikotinsüchtigen werden als Minderjährige eingefangen - im Erwachsenenalter fängt kaum jemand noch mit dem Rauchen an. Zudem hat die Tabakindustrie bei Kindern und Jugendlichen gerade in den Industrieländern, wo diese das üppigste Budget für Smartphones und Zigaretten verfügen, in den letzten Jahren durch verstärkte Aufklärung einen ernormen Rückgang hinnehmen müssen, der durch neue Marketingmaßnahmen kompensiert werden soll.

Somit sehen die Forscher eine konkretes Risiko für Kinder und Jugendliche, der Tabakindustrie auf diesem neuen Wege ins Netz zu gehen. Die ermittelten "raucherfreundlichen" Apps sind sehr professionell gestaltet und verwenden hochwertige Grafik. Deren bevorzugte Vermarktung in den Kategorien Spiele und Unterhaltung steigert, so die Studienautoren, die Attraktivität für Kinder und Jugendliche, die betreffende Apps überdurchschnittlich oft herunterladen.

Verstärkt werde diese Gefahr für Kinder und Jugendliche, so die australischen Wissenschaftler, durch eine unterentwickelte Regulierung. Die Autoren der Studie kritisieren, die Verfügbarkeit von Tabakwerbung stelle eine Verletzung des Artikel 13 der WHO-Tabakrahmenkonvention (FCTC) dar, die Werbung und Promotion für Tabakprodukte in allen Medien verbietet.

Die WHO-Konvention wurde inzwischen bis auf einige wenige Ausnahmen von allen Staaten auf unserem Globus unterzeichnet. Sicherlich sind Rechtsstreitigkeiten über Staatsgrenzen hinweg nicht trivial. Dennoch ist der beispielsweise vom Magazin "Der Spiegel" geäußerte Standpunkt schwer nachvollziehbar, dass es angeblich überhaupt keine rechtliche Handhabe gegen die im Ausland produzierten und vertriebenen Tabakwerbeprodukte geben soll.

Dabei demonstriert doch gerade Apple mit diversen nationalen Beschränkungen seines iTunes Store recht deutlich, wie fadenscheinig dieses Argument ist, wenngleich der amerikanische Konzern nur daran interessiert ist, das Ausweichen auf billigere Alternativen in anderen Ländern zu verhindern. Somit beschränken sich die Kontrollen des iPhone-Herstellers auch darauf, die Bezahlung der Einkäufe sicherzustellen. Bezüglich unangemessener Inhalte für Minderjährige, zu denen insbesondere auch jegliche Form von Tabakwerbung zählt, begnügt sich Apple mit einem Warnhinweis, der einfach weggeklickt werden kann - ohne Kontrolle der Richtigkeit oder gar Konsequenzen bei Falschangaben.

Die gefundenen "raucherfreundlichen" Apps wurden insgesamt über 11 Millionen Mal vom Apple Store und Google Play heruntergeladen. Dabei dürfte es sich bei den Funden nur um die Spitze des Eisbergs illegaler Tabakwerbung im Netz handeln, denn die Forscher hatten nur nach den wichtigsten Begriffen in englischer Sprache gesucht. Andere Sprachräume, in denen Englisch häufig selbst bei Jugendlichen nur eine geringe oder überhaupt keine Rolle spielt, blieben in der Untersuchung außen vor. Um eine Vorstellung dafür zu bekommen: laut Wikipedia werden die 50 häufigsten Sprachen von 80 Prozent der Weltbevölkerung gesprochen.

Angesichts der unbeschränkten Verfügbarkeit von "raucherfreundlichen" Inhalten in den App Stores kommen die Studienautoren zum Schluss, diese müssten Mittel und Wege zur Regulierung dieser nicht jugendgerechten Inhalte finden. Die Anbieter haben eine moralische und rechtliche Verpflichtung sicherzustellen, dass ihre Infrastruktur den Anforderungen der WHO-Tabakkonvention und anderen Gesetzen entspricht, die an Minderjährige adressierte Tabakwerbung untersagen.

Der britische Professor John Britton, Vorsitzender des Beratergremiums für Tabak am "Royal College of Physicians" und Berater der Gesundheitsbehörde NHS, sieht in der Einheitspackung einen sinnvollen Schritt, derartige Tabakwerbeaktivitäten zu verhindern. Demzufolge würde die neutrale Verpackung die Attraktivität für Kinder und Jugendliche deutlich vermindern, da bestimmte Tabakwaren durch das Fehlen herausragender Merkmale weniger vertraut wären.

Deborah Arnott, Vorsitzende der britischen Nichtraucherorganisation ASH, regt an, dem Vorbild der Vereinigten Staaten und Kanadas zu folgen. In den nordamerikanischen Staaten müssen Tabakkonzerne ihre Werbeaktivitäten und das dafür aufgewandte Budget offenlegen. Arnott kritisiert, die Kontrolle der Tabakwerbung entspräche dem Stand der Technik des 20. Jahrhunderts, nicht dem des 21. Jahrhunderts wie das Internet und Smartphones: "Apps sind genau das, was junge Menschen zum Ausprobieren von Tabakwaren anregt, weil sie dadurch glorifiziert werden".


Quellen und weitere Informationen:

Beschwerdeautomat
Petition zum Erlass eines generellen Rauchverbots an Schulen
Petition für ein Verbot von Tabakautomaten zur Durchsetzung des Jugendschutzes
Beschwerde über illegale Tabakwarenautomaten in Schulnähe
Beschwerde über BDTA wegen Nichtentfernens von Tabakwarenautomaten in Schulnähe
Anzeige wegen jugendgefährdender Tabakwerbung
Tabakwerbung
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