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Fotodokumentationen

Ein klares Nein zu "Maybe"

Größte Marlboro-Werbekampagne aller Zeiten gestoppt

[04.08.2012/pk] Seit Ende 2011 läuft nun die größte Marlboro-Werbekampagne aller Zeiten. Mit dem Slogan "Don't be a Maybe - be Marlboro" zeigt Philip Morris jugendlich wirkende Models, die Gitarre spielen, in voller Kleidung in einen See springen oder ein sich küssendes Pärchen. Damit zielt der Tabakkonzern auf die Sehnsucht der Jugendlichen nach Liebe, Abenteuer, Musik und der Welt der Erwachsenen. Kritiker weisen bereits seit fast einem halben Jahr darauf hin, dass derartige an die Zielgruppe Jugendlicher und Heranwachsender gerichtete Tabakwerbung verboten ist. Nach langem Zaudern bestätigten nun die Bundesländer und das Bundesverbraucherschutzministerium diese Darstellung. Philip Morris muss die Kampagne einstellen.

Bereits im Februar dieses Jahres hatten die Universität Hamburg und das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) kritisiert, dass die Maybe-Plakate gegen das Tabakgesetz verstoßen. Wissenschaftler der beiden Organisationen forderten Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner auf, die illegale und jugendgefährdende Kampagne umgehend zu stoppen. Gegenüber dem Spiegel äußerte Tobias Effertz von der Universität Hamburg: "Die Art und Aufmachung der Kampagne ist besonders geeignet, Jugendliche und Heranwachsende zum Rauchen zu veranlassen, und damit rechtswidrig." Laut Paragraph 22 des Tabakgesetzes ist Werbung für Tabakerzeugnisse verboten, wenn sie darauf abzielt, Jugendliche und Heranwachsende zum Rauchen "zu animieren".

Die Kritiker bemängeln zudem an der Maybe-Kampagne, damit werde eine tödliche Sucht verherrlichend, attraktiv und als "cool" dargestellt, um "bewusst vom Trend zum Nichtrauen abzulenken". Durch Motivwahl und Slogan werden Nichtraucher diskriminiert und mit abwertenden Eigenschaften belegt. Nichtraucher werden durch die Maybe-Kampagne als erfolglose ("Maybe will never be her own boss"), unkreative ("Maybe never wrote a song"), freudlose ("Maybe never fell in love") Verlierer dargestellt, die in ihrer Unfreiheit gefangen sind ("Maybe never feels free", "Maybe never found a way").

Die Maybe-Kampagne soll suggerieren, dass nur durch den Konsum von Marlboro-Zigaretten die wichtigsten menschlichen Bedürfnisse in Erfüllung gehen können. Die zuvor erwähnten Themen sind speziell für Jugendliche in der Orientierungsphase von größter Bedeutung. Mit der Wahl entsprechender Motive werden Kinder und Jugendliche direkt angesprochen und zu einem frühzeitigen Einstieg ins Rauchen verführt.

Das Forum Rauchfrei, das bereits seit vielen Jahren die illegalen Werbekampagnen der Tabakindustrie dokumentiert, hatte die illegale Maybe-Kampagne bereits im Februar bei den Behörden zur Anzeige gebracht. Nachdem die Werbekampagne ungehindert fortgesetzt wurde, ermahnte das Forum Rauchfrei zum Weltnichtrauchertag am 31. Mai 2012 die Verantwortlichen erneut, die gesetzeswidrige Maybe-Kampagne zu stoppen. Die geradezu demonstrative Faulheit der Behörden hat jedoch offensichtlich Methode.

Die Bundesrepublik Deutschland ist das einzige Land der Europäischen Union, das Tabakwerbung auf Großplakaten in den Straßen noch erlaubt. Die Bundesregierung hat zwar zum Tabakrahmenübereinkommen im Jahr 2004 ein Gesetz verabschiedet, nach dem ein umfassendes Tabakwerbeverbot spätestens bis 2009 hätte umgesetzt werden müssen. Bislang hat die Regierung jedoch nur "verantwortungslose Untätigkeit" an den Tag gelegt, wie das Forum Rauchfrei kritisiert.

Die Bundesregierung versucht seit Jahren, sich mit dem Hinweis herauszureden, die aktuelle gesetzliche Regelung wäre angeblich ausreichend. Dies wurde jedoch durch eine Studie des Forum Rauchfrei widerlegt, in der vierzig Verstöße gegen das Verbot, Jugendliche durch Werbung zum Rauchen zu veranlassen, dokumentiert sind. Laut Johannes Spatz, Sprecher des Forum Rauchfrei, hätte bislang keine einzige Anzeige gegen all diese Verstöße Konsequenzen für die Tabakindustrie zur Folge gehabt. Dies zeige ein "Versagen der Kontrollbehörden auf ganzer Linie". Deshalb könne nur ein eindeutiges und umfassendes Tabakwerbeverbot den dringend notwendigen Jugendschutz gewährleisten. Die Bundesregierung müsse "ohne Verzögerung die Initiative ergreifen, um noch in diesem Jahr ein umfassendes Tabakwerbeverbot einzuführen".

Mehrfach hatte sich das Forum Rauchfrei schriftlich an das Bundesministerium für Verbraucherschutz und die bezirklichen Lebensmittelaufsichtsämter Berlins gewandt, um die illegale Maybe-Kampagne zu stoppen. Die Beschwerde vom 14. Februar 2012 an das Verbraucherschutzministerium wurde Ende Juni endlich beantwortet. Offensichtlich ist es die übliche Taktik der Behörden, derartige Beschwerden einfach auszusitzen. Denn meistens erledigen sich diese Werbekampagnen nach einigen Wochen ohnehin von selbst. Da dies bei der Maybe-Kampagne jedoch nicht der Fall war, bequemte sich das Ministerium nach mehr als vier Monaten endlich zu einer Antwort. Trotz der langen Bearbeitungszeit konnten die Bürokraten noch nicht einmal mit einem Ergebnis aufwarten - die Beschwerde war nur an die obersten Landesbehörden weitergeleitet worden.

Weitere zwei Wochen später gab es ein erstes Ergebnis. Zwölf Bundesländer stellten fest, dass es sich "bei der Maybe-Werbung insgesamt oder zumindest in Teilen um einen Verstoß gegen das Tabakgesetz handele". Auch das Verbraucherschutzministerium schloss sich dieser Auffassung an. Für die Durchsetzung verantwortlich zeichnet das Landratsamt München, in dessen Zuständigkeitsbereich die deutsche Philip-Morris-Tochter seit ihrem Umzug aus der Stadt München in die Gemeinde Gräfelfing fällt.

Wie die Frankfurter Rundschau berichtet, wurde "Philip Morris International [...] vom Landratsamt München schriftlich über die Bedenken der Aufsichtsbehörden informiert". Daraufhin erklärte eine Sprecherin der Firma: "Wir sind zwar der Überzeugung, dass die Marlboro-Plakatkampagne den einschlägigen Gesetzen entspricht, haben uns jedoch entschlossen, die Marlboro-Maybe-Außenwerbeplakate auszusetzen, während wir diese Beschwerden untersuchen und unsere Gespräche mit den Behörden fortsetzen."

Das Bundesministerium für Verbraucherschutz informierte, das Unternehmen werde auf "freiwilliger Basis" unverzüglich die Verwendung von Außenwerbeplakaten für die genannte Kampagne in Deutschland aussetzen. Gegenüber dem Ministerium hatte der Tabakmulti am 24. Juli 2012 schriftlich erklärt, "innerhalb von 10 Tagen die Plakate abzunehmen". In der Realität hat sich Philip Morris damit praktisch zu nichts verpflichtet. Die illegalen Plakate müssen nicht unverzüglich entfernt oder überklebt werden, da dies spätestens nach Ablauf einer Dekade ohnehin passiert. Denn laut Belegungsplan der Firma Ströer, mit bundesweit rund 230.000 Werbeflächen als größter Außenwerber in Deutschland auch für die Verbreitung des Löwenanteils der Maybe-Plakate verantwortlich, werden die öffentlichen Werbeflächen in Wochen (7 Tage) und Dekaden (10 Tage) geplant.

Die Vorgehensweise unserer teuren Bürokratie muss man sich einmal bewusst vor Augen führen. Ein Normalbürger wird nicht zuerst konsultiert und "über die Bedenken der Aufsichtsbehörden informiert", bevor ihm großzügig die Gelegenheit gegeben wird, selbst einen passenden Ausweg zu finden, insbesondere ohne jegliche damit verbundene rechtliche Verpflichtung. Obwohl ein Verstoß gegen das Tabakgesetz und damit einhergehend eine Verletzung des Jugendschutzes festgestellt wurde, fassen die Behörden den Philip-Morris-Konzern immer noch zaudernd mit Samthandschuhen an. Die Agentur Leo Burnett in Frankfurt, die nach jahrzehntelanger Kampagnentätigkeit für Philip Morris auch die Maybe-Plakate entwickelt hat, kann auch nicht als unerfahrener Anfänger betrachtet werden, dem entlastend eine unbeabsichtigte Übertretung der Jugendschutzgesetze zugebilligt werden könnte.

Vermeintliche Parksünder (siehe Spiegel-Bericht "Wie aus einem 25-Euro-Strafzettel eine Gefängnishaft wurde") bekämpfen die lokalen Behörden mit äußerster Härte, ohne Augenmaß oder Rücksicht auf die Kosten. Bei einem Tabakkonzern, der nicht nur Millionen Menschen langsam vergiftet, sondern hinsichtlich illegaler jugendgefährdender Tabakwerbung ganz offensichtlich einen unbelehrbaren Wiederholungstäter darstellt, leiten die zuständigen Kontrollbehörden noch nicht einmal das erforderliche Ordnungswidrigkeitsverfahren ein.

Dabei musste Philip Morris in früheren Jahren bereits auf Betreiben der Verbraucherschützer und der Bundesdrogenbeauftragten Unterlassungserklärungen abgeben und "freiwillig" illegale Kampagnen beenden. Dennoch versuchen die Behörden bei diesem erneuten Gesetzesverstoß nicht einmal, von diesem Wiederholungstäter ein Bußgeld einzufordern. Dass in einem solchen Fall zumindest eine strafbewehrte Unterlassungserklärung als Grundlage für eine gütliche Einigung erforderlich ist, scheint dem Amtsschimmel im Landratsamt München ebenfalls völlig gleichgültig zu sein.


Quellen und weitere Informationen:

Beschwerdeautomat
Petition zum Erlass eines generellen Rauchverbots an Schulen
Petition für ein Verbot von Tabakautomaten zur Durchsetzung des Jugendschutzes
Beschwerde über illegale Tabakwarenautomaten in Schulnähe
Beschwerde über BDTA wegen Nichtentfernens von Tabakwarenautomaten in Schulnähe
Anzeige wegen jugendgefährdender Tabakwerbung
Tabaklobby
Politik
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