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Neue Hoffnung im neuen Jahr

Fortschritt beim Schutz vor Passivrauchen

[12.01.2008/pk] Im vergangenen Jahr waren drei Bundesländer Vorreiter bei der Einführung von Landesgesetzen zum Schutz vor Passivrauchen. In Baden-Württemberg und Niedersachsen traten am 1. August Rauchverbote in Gaststätten, Kliniken, Landesbehörden und Schulen in Kraft. Eine ähnliche Regelung gilt seit diesem Datum auch für Mecklenburg-Vorpommern, allerdings mussten sich dort Beschäftigte und Gäste der Gastronomie noch bis Anfang 2008 gedulden.

Acht weitere Bundesländer haben inzwischen nachgezogen. Gesetzliche Regelungen zum Schutz vor Passivrauch sind nun in Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein in Kraft. Insbesondere in Bezug auf die Gastronomie unterscheiden sich diese jedoch gewaltig. Bayern hat als einziges Bundesland einen konsequenten und ausnahmslosen Schutz der Gastronomiebeschäftigten eingeführt. In allen anderen Ländern muss sich diese Beschäftigtengruppe mit deutlich weniger Schutz vor rücksichtslosen Qualmern zufrieden geben.

In den nächsten Monaten sollen auch die verbleibenden Länder nachziehen. Die für Nordrhein-Westfalen bereits für Anfang 2008 angekündigte Verordnung wird auf Grund von Verzögerungen im Gesetzgebungsprozess voraussichtlich erst am 1. Juli endgültig in Kraft treten. Dieses Datum markiert auch für die Thüringer Bevölkerung den entscheidenden Tag zum Aufatmen. Zuvor, Anfang beziehungsweise Mitte Februar dürfen sich Sachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland zu den glücklichen Gewinnern einer neuen Lebens- und Arbeitsqualität ohne Passivrauch zählen.

Nicht nur die Geltungsbereiche des Rauchverbots unterscheiden sich in den einzelnen Bundesländern, auch die Umsetzung wird sehr unterschiedlich ausgelegt. Nachdem der DEHOGA die Wirte gegen jegliche Rauchverbote geradezu aufgehetzt hatte, reagieren diese nun äußerst zögerlich und widerwillig auf die neue Gesetzeslage. Umgesetzt wird bestenfalls das absolute Minimum, um keine Strafen zu riskieren. Oder auf den Punkt gebracht: jede Gnadenfrist zur Umsetzung wird von etlichen Wirten schamlos ausgenutzt.

In Nordrhein-Westfalen tritt das Rauchverbot in Kneipen erst am 1. Juli 2008 verpflichtend in Kraft. Bis zu diesem Termin läuft die Testphase zur Umsetzung der Bestimmungen aus dem Ministerium. Wie jedoch die Rheinische Post berichtet, denken Mönchengladbachs Wirte gar nicht daran. Denn die Wirte haben bis dahin keine Strafen zu befürchten, wenn in ihrer Gaststätte trotz des Verbots weiter geraucht wird. Auch aus Sachsen-Anhalt wird berichtet, "mit Sanktionen ist zunächst nicht zu rechnen". Dort könnten Strafen frühestens ab Juli verhängt werden.

Besser vorbereitet ist das nördlichste Bundesland Schleswig-Holstein, sowohl im Hinblick auf die Information, als auch der Sanktionierung. Bereits im Dezember wurde die Informationsoffensive "Endlich durchatmen" zur Umsetzung des neuen Gesetzes gestartet. Sozialministerin Gitta Trauernicht erläutert, "alle freiwilligen Maßnahmen haben bisher wenig gebracht". Sie erwartet bei der Umsetzung "keine größeren Probleme, weil es ausreichend Zeit gegeben habe, sich auf die Regelungen einzustellen". Ordnungsämter und Polizei werden bei Hinweisen aktiv, und können bereits jetzt Bußgelder bis zu 1.000 Euro verhängen. Knapp 100 Mitarbeiter der Schleswig-Holsteinischen Ordnungsbehörden waren bereits im Dezember im Ministerium, um eine einheitliche Linie bei der Umsetzung des Gesetzes zu ermöglichen.

Klarheit schafft das bayerische Gesetz zum Schutz vor Passivrauch, das sogar im nördlichsten Bundesland als vorbildlich angesehen wird. Hier besteht die Unsicherheit der vielen Ausnahme- und Sonderregelungen nicht, die in vielen anderen Bundesländern zur Wettbewerbsverzerrung und zu völliger Überforderung bei Behörden, Wirten und Gästen geführt hat.

Auch das Wehklagen einiger Nikotiniker über den Verlust der bayerischen Kultur auf Grund des Rauchverbots ist völlig fehl am Platz. Ein bayerischer Wirt bringt es auf den Punkt: "Rauchfrei zu arbeiten ist für mich gesünder. Es ist ein kompletter Schmarrn, die Raucher mit der bayerischen Wirtshauskultur zusammenzubringen. Da hat die bayerische Tradition doch mehr zu bieten." Auch das Vorbild Irlands hat bereits erfolgreich in der Praxis bewiesen, dass die berühmte Pub-Kultur durch das Rauchverbot nur gewonnen hat; die Tabaklobbyisten mit ihren Unkenrufen über den Niedergang der irischen Pub-Kultur lagen mit ihren wunschgetriebenen Untergangsszenarien total daneben.

Das inzwischen in Bayern in Kraft getretene gesetzliche Rauchverbot beruht in seiner Konsequenz unter anderem auf den negativen Erfahrungen aus der freiwilligen Vereinbarung mit den Gastronomenverbänden. Dazu zitiert "Die Welt": "Die freiwillige Vereinbarung, den Nichtraucherschutz in der Gastronomie zu stärken, hat 2006 leider zu keinem erkennbaren Ergebnis geführt. Im Gegenteil, die vereinbarte Zielvorstellung wurde deutlich verfehlt."

Auch die örtliche Nähe der Münchner Philip-Morris-Deutschlandzentrale zum Bayerischen Landtag konnte aggressiven Lobbyisten keinen Erfolg mehr bescheren. Im Gegenteil, Tabakverfechter überspannten den Bogen drastisch, indem sie beispielsweise den CSU-Fraktionsvorsitzenden Georg Schmid als "Mörder" (der Wirtshauskultur) beschimpften. Schmid erlangte dadurch in Rekordzeit einen Bekanntheitsgrad, von dem andere Politiker nur träumen können. Gerade dieser ungeahnte Schub gab ihm wohl den nötigen Rückhalt für die "mutige Entscheidung" zu einem wirklich konsequenten Rauchverbot.

Der bayerische Umweltstaatssekretär Marcel Huber benutzte ein Zitat des Lyriker Mathias Claudius zur Veranschaulichung, warum die Politik letztlich zur Regulierung gezwungen worden sei: "Freiheit besteht dann, wenn man alles tun kann, was anderen nicht schadet". Wie "Die Welt" zitiert, sei diese Rücksicht von den "anderen" allerdings nicht ernst genommen worden. Deshalb muss der Staat nun die Verantwortung übernehmen: "Der Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens für die Menschen in Bayern an ihren Arbeitsplätzen ist selbstverständlich eine staatliche Aufgabe".

Einzig die FDP versucht in Bayern noch, im Chor mit den letzten bornierten Nikotinikern gegen den neuen Nichtraucherschutz zu stänkern. Nachdem deren bisherigen Pseudo-Argumente praktisch komplett widerlegt wurden, zogen die Liberalen ihren letzten vermeintlichen Trumpf aus dem Ärmel. Nach ihren Worten soll nun ein gigantischer Rauchertourismus der heimischen Gastronomie den Garaus machen. Verständlicherweise liegen hierzu noch keine langfristigen Zahlen und Analysen vor.

Erste Hinweise deuten jedoch bereits darauf hin, dass auch dieser erneute Versuch zur Panikmache nicht zielführend ist. Aus Thüringen als nördlichem Nachbarn Bayerns wird gemeldet, dass der befürchtete Rauchertourismus ausbleibt. Auch das südliche Nachbarland Österreich verzeichnete bisher keinen Ansturm bayerischer Raucherflüchtlinge. Doch die ewig gestrigen Liberalen werden nicht müde, auf ihrem traditionellen Dreikönigstreffen das neue Nichtraucherschutzgesetz zu kritisieren, und weiter über den eingebildeten Rauchertourismus nach Österreich zu lamentieren.

Abschließend sei noch einmal das alte Zahlenspiel erwähnt. Statistisch kommen auf einen Raucher etwa vier bis fünf Nichtraucher, je nach Betrachtungsweise. Statistisch haben Nichtraucher mehr Geld in der Tasche. Sie müssen es nicht für Glimmstängel ausgeben, ganz zu schweigen davon, dass Nichtraucher in der Regel durch ein höheres Bildungsniveau auch höhere Einkommen erzielen. Deshalb sollten Wirte, aber auch Verbandsfunktionäre und Politiker das rückwärts gerichtete Lamentieren einer aussterbenden Rauchergeneration revidieren. Eine Existenzgrundlage erfordert vorausschauendes Wirtschaften. Die Wirte müssen vorwärts blicken, und sich bestmöglich auf die rauchfreie Zukunft vorbereiten. Denn diese Zukunft hat bereits begonnen...


Quellen und weitere Informationen:

Beschwerdeautomat
Aufforderung zur Ablehnung von Ehrungen und Preisen der Tabakindustrie
Raucher werden weder diskriminiert noch ausgeschlossen
Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen
Petition und Politikeranschreiben für Kinderschutz im Auto
Beschwerde über verqualmte Veranstaltungsstätten (Theater, Konzertsäle, Kinos, ...)
Beschwerde beim Deutschen Presserat über Berichterstattung
Feinstaub wird nicht nur von Kraftfahrzeugen produziert
Anfrage wegen Tabakwerbung in Zeitungen, Zeitschriften etc.
Anfrage wegen Sponsoring durch Tabakindustrie (Verbände und Parteien)
Bitte um Begleichung der Reinigungskosten für Garderobe
Tabaklobby
Politik
CSU
FDP
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