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Wirte ohne Marketingstrategie

DEHOGA forciert Diskriminierung und Wettbewerbsverzerrungen

[08.12.2007/pk] Die Hospitality Sales & Marketing Association (HSMA) stellte in einer aktuellen Online-Umfrage fest, "die Chancen für neue Vermarktungsansätze des Rauchverbots werden von der Gastronomie in Deutschland nicht erkannt". Laut dem Umfrageergebnis hat sich "der Großteil des deutschen Gastgewerbes bisher nur mit den vermeintlich negativen Auswirkungen des Rauchverbots auseinandergesetzt". Nur ein verschwindend geringer Teil der Gastronomen erkennt demnach das wirtschaftliche Potenzial des neuen Trends, der eine eindeutige Tendenz weg vom gesundheitsschädlichen Tabakqualm aufweist.

Eine Neuausrichtung der Marketingstrategie unter Berücksichtigung des gesetzlichen Rauchverbots wird von den Wirten kaum in Betracht gezogen. Die HSMA-Umfrage ergab, dass über 90 Prozent der Umfrageteilnehmer die durch das Rauchverbot veränderte Situation in ihrem Marketingkonzept komplett ignorieren. Lediglich 17 Prozent der befragten Gastronomen nutzen entsprechende Kampagnen, um auf ihre rauchfreien Räume aufmerksam zu machen.

11 Prozent der Umfrageteilnehmer rechnen mit einer Umsatzsteigerung durch zielgerichtete Marketingaktionen und der Erschließung neuer Zielgruppen. Aber mehr als doppelt soviele Wirte, immerhin ein Viertel der Befragten, erwarten Umsatzverluste. Mehr als die Hälfte aller Wirte wollen sich nur dann komplett als Nichtraucherbetrieb positionieren, wenn sich ein klarer Trend hin zu Nichtraucherbetrieben abzeichnen würde.

Auf den ersten Blick verwundert, dass ausgerechnet eine so große Gruppe wie die Gastronomen den aktuellen Trend offensichtlich komplett verschläft, wo doch sogar die sonst eher träge Politik schon die veränderten Zeichen der Zeit erkannt hat. Die von der Hospitality Sales & Marketing Association (HSMA) festgestellte Desinformation der Wirte verwundert jedoch nicht, wenn man sich die Positionierung der deutschen Gastronomenverbände der letzten Jahrzehnte in dieser Frage vor Augen führt.

Geradezu gebetsmühlenhaft wiederholen sich die deutschen Gastronomenverbände in ihren Bemühungen, jegliche Einschränkungen des Rauchens in der Gastronomie zu torpedieren. Diese Verbände, allen voran der DEHOGA, beschränken sich immer noch darauf, gegen die rauchfreie Gastronomie zu agitieren. Konstruktive Lösungsansätze sucht man hier, mit Ausnahme des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes (BHG), vergeblich. Statt zukunftsgerichteter Problemanalysen versuchen die ewig gestrigen Verbandsfunktionäre mit Zähnen und Klauen jegliche Einschränkungen des Rauchens zu torpedieren.

Hier zeigt sich wieder einmal das suchttypische Verhalten der Nikotinanhänger. Bis hin zur Selbstzerstörung werden die absurdesten Kapriolen vollführt, um eine vermeintliche Rechtfertigung für das Festhalten an der Sucht zu finden. Wettbewerbsverzerrende gesetzliche Regelungen werden beispielsweise vom DEHOGA nicht etwa verhindert, um die eigenen Mitglieder vor der damit verbundenen Pleitegefahr zu schützen. Vielmehr werden derartige destruktive Regelungen geradezu gefördert, um dem Verband durch die zwangsläufig auftretenden Kollateralschäden in der Gastronomie am Ende eine Bestätigung für seine These zu liefern, nach der ein Rauchverbot angeblich die Gastronomie schädigt. Der Prophet sorgt hier offensichtlich ganz bewusst dafür, dass seine Prophezeiung auch wirklich in Erfüllung geht.

Ein aktuelles Beispiel ist die Studie von CHD-Expert/Marktplatz Hotel über das Rauchverbot in der Gastronomie in Baden-Württemberg und Niedersachsen. Das Ziel dieser Studie ist mehr als offensichtlich, und spiegelt deutlich die enge Verquickung von Marktplatz Hotel und DEHOGA wider. Es geht ganz augenscheinlich nur darum, die althergebrachten DEHOGA-Behauptungen von Umsatzeinbußen in der Gastronomie irgendwie zu rechtfertigen. Dies legen die Kommentare von CHD-Expert sowie die als Kommentatorin des Ergebnisses herangezogene Literatur-Professorin Dr. Gertrud Höhler deutlich nahe. Äußerst bezeichnend für die Seriosität dieser Studie ist, dass bei der Präsentation des Ergebnisses nicht die harten Fakten und die Grundlage für deren Erhebung im Mittelpunkt stehen, sondern eine interessengerechte Interpretation beziehungsweise Kommentierung im bekannten Stil der Tabaklobby.

Trotz der marketingwirksamen und einseitigen Darstellung der Ergebnisse dieser CHD-Expert-Befragung lassen sich einige interessante Fakten entnehmen. So betont die CHD-Expert-Pressemitteilung bereits in der Überschrift, dass über 70 Prozent der Wirte keinen Raucherraum einrichten könnten. Eine kritische Reflektion dieser Zahl ergibt, dass das vom DEHOGA und seinen betroffenen Landesverbänden forcierte Gesetz (Rauchverbot mit Ausnahmen) ganz klar eine krasse Wettbewerbsverzerrung darstellt. Die Gastronomenverbände haben sich also dafür eingesetzt, dass 70 Prozent der Wirte diskriminiert und benachteiligt werden. Die vom bayerischen Schwesterverband BHG favorisierte Lösung, die genau diese Probleme verhindert, wurden von den Verbänden in Niedersachsen und Baden-Württemberg vehement bekämpft.

Thilo Lambracht, Geschäftsführer von CHD Expert, macht in einer Presseerklärung zur CHD-Befragung das Rauchverbot für die Misere der Wirte verantwortlich: "43 Prozent der Gastronomen sind als Verlierer zu bezeichnen, da sie mindestens Gästeeinbußen im einstelligen Bereichen verzeichnen". Was Lambracht jedoch schamhaft verschweigt: die Lage der Gastronomen in Baden-Württemberg und Niedersachsen war bereits vor Einführung des Rauchverbots im September katastrophal. Das Bundesamt für Statistik verzeichnet in seinen am 13.09.2007 veröffentlichten Zahlen im Juli 2007 einen Umsatzrückgang gegenüber dem Vorjahresmonat um nominal 3,7 Prozent, real 6,4 Prozent.

Die zur Kommentierung der CHD-Befragung herangezogene Literatur-Professorin Dr. Gertrud Höhler nimmt ebenfalls kein Blatt vor den Mund, wem sie den Schwarzen Peter für die Misere der Wirte zuschieben möchte. Höhler schwadroniert von "moralischem Strebertum der Gutmenschen" und "aggressivem Nichtraucherschutz von Seiten der Politik als Auflage an Gastronomen". Die eloquente Professorin reduziert das Problem auf einen Satz: "Der Nichtraucherschutz ist nur ein Schauplatz der neuen Hypermoral".

Derartige Tiraden sind inzwischen als alltägliche Verunglimpfungen der Nichtraucher durch die Tabaklobby hinlänglich bekannt. Entsprechend erübrigt sich jeder weitere Kommentar über diese literarischen Ergüsse zu einer nicht ernstzunehmenden Studie.

Neben den Passivrauchern sind die Wirte das größte Opfer einer verfehlten Verbandspolitik. Besonders pikant daran ist, dass die Lebensgrundlage der Wirte von deren eigenen Verbandsfunktionären aufs Spiel gesetzt wird. Ihre zerstörten Existenzen werden von einer aggessiven Tabaklobby als Kollateralschäden billigend in Kauf genommen.


Quellen und weitere Informationen:

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Beschwerde über Verstoß gegen Gleichstellung behinderter Menschen
Petition zum Schutz der Beschäftigten in der Gastronomie vor Zwangsmitrauchen
Abschiedsbrief an Restaurant wegen Rauchbelastung
Anfrage nach rauchfreien Restaurants
Gastronomie
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