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Fotodokumentationen

Ärzte vertuschen Rauchen als Todesursache

Gut gemeinte Lügen verhindern Prävention und spielen der Tabaklobby in die Hände

[03.03.2012/pk] Rudi Carrell und Harald Juhnke, jahrzehntelang als Showstars des deutschen Fernsehens gefeiert, sind vielen Menschen noch ein Begriff. Die Todesursachen der beiden vor einigen Jahren verstorbenen Entertainer sind kein Geheimnis. Dennoch ist die Wahrnehmung in beiden Fällen recht unterschiedlich, wie ein einfaches Experiment zeigt. Notieren Sie sich dazu einfach zu jeder der beiden Personen den Grund, der zu ihrem Tode führte. Lassen Sie diese Aufgabe auch von Freunden oder Verwandten wiederholen. Dann vergleichen Sie Ihre Ergebnisse. Was fällt Ihnen dabei auf?

Wer die beiden Verblichenen kannte, wusste auch von deren Lastern. Am häufigsten wird deshalb bei Harald Juhnke Alkohol als Todesursache genannt. Bei Rudi Carrell hingegen wird Lungenkrebs am meisten genannt. Auffällig hierbei ist, dass der Lungenkrebs bei Carrell zwar die zum Tode führende Krankheit darstellte, der tatsächliche Grund dafür - das Rauchen - jedoch meist nicht als solcher angeführt wird.

Diese Verzerrung der Wahrnehmung ist keineswegs auf das gemeine Fernsehvolk beschränkt, das durch intensives Tabak-Sponsoring der Filmindustrie manipuliert wird. Wie eine aktuelle britische Studie herausfand, trifft dieses Phänomen leider sogar auf Ärzte zu, die das Ableben aus medizinischer Perspektive amtlich dokumentieren. Der Analyse zufolge geben die Ärzte in den betreffenden Fällen zwar Alkohol bereitwillig als Todesursache auf dem Totenschein an, beim Rauchen zieren sie sich jedoch vor einem ebenso offenen und ehrlichen Zeugnis.

Die Autoren der Studie, die im Journal of Clinical Pathology veröffentlicht wurde, geben als Grund für diese Zwei-Klassen-Diagnose die Scheu vor einer Stigmatisierung der Verstorbenen an. Wie es scheint, haben die Marketing-Strategen der Tabakindustrie hier (leider) wieder einmal ganz Arbeit geleistet - die Warnungen vor einer "Stigmatisierung der Raucher" sind ein zentrales Thema der Tabaklobby im Kampf gegen Rauchverbote.

Die Forscher werteten für die Studie mehr als 2.000 Totenscheine und 236 Obduktionsberichte aus, die an einer Londoner Ausbildungsklinik in den Jahren von 2003 bis 2009 ausgestellt wurden. Die Ärzte dürfen seit 1992 Alkoholkonsum und Rauchen als direkten oder beteiligten Todesgrund bescheinigen, ohne dafür einen amtlichen Leichenbeschauer heranziehen zu müssen.

Insgesamt wurde nur in zwei Fällen (also 0,1 Prozent der Gesamtzahl) Rauchen als Todesursache angegeben. In zehn Fällen (0,5 Prozent der Gesamtzahl) wurde Rauchen als Begleitursache aufgeführt. Bei den beiden Fällen, in denen Rauchen als Grund angegeben wurde, handelt es sich um Lungenkrebs und COPD. Diese beiden Krankheiten wurden jedoch in 279 der untersuchten Fälle diagnostiziert, wobei es sich bei der Mehrheit um Raucher (mehr als 45 Prozent) beziehungsweise Ex-Raucher (über 23 Prozent) handelte. Bekanntlich stellt Tabakkonsum die Hauptursache sowohl für Lungenkrebs als auch für COPD dar.

Von den untersuchten Todesfällen spielte das Rauchen in 407 Fällen eine erhebliche Rolle. Dennoch wurde das Rauchen nur zweimal als primäre Ursache angeführt, und zehnmal als Begleitfaktor. Bei den Obduktionsberichten erwähnte kein einziger das Rauchen als ursächlich oder begünstigend für das Ableben. Für die Studienautoren ein höchst "überraschendes" Ergebnis. Von den 54 Fällen hingegen, in denen Alkoholkonsum eine Rolle spielte, wurde dieser in mehr als der Hälfte aller Fälle (57,4 Prozent) bereitwillig auch als Ursache bescheinigt. Die Totenscheine stellen im Vereinigten Königreich mit 99,8 Prozent die wichtigste Quelle für Sterblichkeitsdaten dar.

Die fromme Lüge der Ärzte, die durch das Verheimlichen der wahren Todesursache den Verblichenen und ihren Hinterbliebenen nur einen Gefallen erweisen wollen, nutzt den Verstorbenen wenig. Diese Praxis schadet jedoch den Lebenden, beispielsweise weil wichtige Präventionsmaßnahmen vernachlässigt werden. Diese allzu gängige Praxis vertuscht das wahre Ausmaß der Schäden des Rauchens, wie die Forscher feststellen. Demzufolge sind mit Sicherheit alle statistischen Aussagen über Todesfälle durch Tabakkonsum viel zu niedrig gegriffen. Einziger Nutznießer dieser Falschinformation ist die Tabakdrogenindustrie. Die Belege für die Zusammenhänge des Rauchens und bestimmter Todesursachen sind überwältigend, so die Studienautoren. Sie fordern deshalb mehr Engagement, diese Vertuschung des Rauchens als Todesursache abzustellen.

Die Nikotinsucht wird nicht nur als Grund für vorzeitiges Ableben unter den Teppich gekehrt, sondern auch als ernstes Problem im vorangehenden dritten Lebensabschnitt. Die Caritas weist darauf hin, dass laut Expertenschätzungen über zwei Millionen ältere Männer und Frauen rauchen, etwa 400.000 Menschen dieser Altersgruppe leiden unter Alkoholproblemen. Dennoch nutzen diese Betroffenen die existierenden Suchthilfeeinrichtungen kaum. Dabei wirken Suchtmittel im Alter stärker, wie die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V. betont.


Quellen und weitere Informationen:

Anmerkungen:

Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) hat mit seinem Ethikkodex zur Ablehnung von Sponsoring durch die Tabakindustrie, dem sich inzwischen auch viele medizinische Einrichtungen angeschlossen haben, einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der WHO-Tabakkonvention in Deutschland geleistet. Ganz offensichtlich gilt es jedoch auch hier immer noch eine Menge Aufklärungsarbeit zu leisten, bis in den Köpfen einer breiten Ärzteschaft ein Bewusstsein über das tatsächliche Ausmaß der Folgen "legaler" Drogen geweckt ist. Nur informierte Fachleute können präventive Maßnahmen glaubwürdig in eine breite Öffentlichkeit tragen und damit eine effektive Suchtbewältigung ermöglichen.
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