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Passivrauchen rechtfertigt sofortige Kündigung

Keine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld

[12.05.2007/pk] Ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (Aktenzeichen: L 6 AL 24/05) lässt geplagte Passivraucher aufatmen. Die Entscheidung gesteht Arbeitnehmern ein sofortiges Kündigungsrecht zu, wenn der Arbeitgeber trotz Aufforderung seiner gesetzlichen Verpflichtung zum Schutz vor Passivrauchen am Arbeitsplatz nicht nachkommt. Das Gericht erkannte an, dass es sich in diesem Fall um eine gerechtfertigte Kündigung aus wichtigem Grund handelt, so dass die Arbeitsagentur keine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld verhängen darf.

Nach Ansicht der Richter sind die vielfältigen Gefahren des Passivrauchens wissenschaftlich hinlänglich nachgewiesen. Die in der Verhandlung zitierte Studie des DKFZ sei, so das Urteil wörtlich, "in jeder Beziehung überzeugend". Insbesondere die Erkenntnis, dass keine Untergrenzen für eine zu vernachlässigende Gesundheitsgefährdung genannt werden können, unterstützt die Auffassung des Klägers, eine Weiterführung des befristeten Arbeitsverhältnisses bis zum Vertragsablauf sei unzumutbar gewesen.

Die Sozialrichter hoben mit ihrer Entscheidung ein erstinstanzliches Urteil des Sozialgerichts Gießen auf, und gaben dem 43-jährigen Kläger Recht. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falles hat das Gericht die Revision zugelassen. Die Bundesagentur für Arbeit will jedoch auf die Einlegung von Rechtsmitteln verzichten. Das Urteil ist rechtskräftig.

Der Fall im Detail. Der betreffende Arbeitnehmer verträgt aus gesundheitlichen Gründen keinen Rauch und bat deshalb an seinem Arbeitsplatz, wo von den anderen Mitarbeitern viel geraucht wird, mehrfach um Rücksichtnahme. Anstatt Verständnis für sein berechtigtes Anliegen aufzubringen, lachten ihn die Kollegen sogar aus. Eines morgens, als er den Arbeitsraum betreten hatte, war die Tabakrauchbelastung derart stark, dass sich der betreffende Arbeitnehmer übergeben musste.

Im darauf folgenden Gespräch mit seinem Chef erhielt er zur Antwort, er müsse das Rauchproblem überstehen. Alternativ könne er auch den Betrieb verlassen. Da der Mitarbeiter extrem unter der starken Rauchbelastung am Arbeitsplatz litt, sah er keine andere Möglichkeit, als dieser letzten Aufforderung zu folgen. Er verließ den Betrieb am selben Tag, meldete sich umgehend arbeitslos und beantragte Arbeitslosenunterstützung.

Die Bundesagentur für Arbeit zahlte jedoch erst nach Ablauf einer Sperrfrist. Die Behörde unterstellte dem betroffenen Arbeitnehmer, er hätte die Kündigung selbst und ohne wichtigen Grund herbeigeführt, so dass dieser keinen Zahlungsanspruch auf Arbeitslosenunterstützung ab dem ersten Tag hätte. Gegen diese Leistungskürzung setzte sich der Arbeitnehmer vor Gericht zur Wehr, letztlich mit Erfolg.

Das Hessische Landessozialgericht bestätigte in seinem Urteil die Auffassung des klagenden Arbeitnehmers, die im gesamten Betrieb während der gesamten Arbeitszeit auftretende Passivrauchbelastung sei ein wichtiger Grund, der eine sofortige Kündigung ohne Leistungsabzüge bei der Arbeitslosenunterstützung rechtfertige. Für diese Bewertung spielt allerdings die beharrliche und endgültige Weigerung des Arbeitgebers, für Abhilfe zu sorgen, eine wichtige Rolle. Ebenso bestand eine zwingende Voraussetzung darin, dass der Arbeitnehmer sich ausdrücklich um eine Lösung dieses Problems bemüht hatte. Somit war die Kündigung buchstäblich der letzte Ausweg, da dem Beschäftigten der weitere Verbleib im Betrieb unter den vorherrschenden Bedingungen nicht länger zumutbar war.

Bemerkenswert an der Urteilsbegründung ist auch die Aussage, es sei dabei völlig unerheblich, ob dem Arbeitnehmer bereits vor Antritt der Beschäftigung bekannt war, dass in dem Betrieb geraucht wird. Da er dem Tabakrauch während der Arbeitszeit ständig ausgesetzt war, komme es auch nicht darauf an wieviel oder wie häufig dort geraucht wird. Das Gericht unterstrich die Bedeutung des Paragrafen 5 der Arbeitsstättenverordnung, dieser "trage dabei den eindeutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen Rechnung, die grundsätzlich von einer Schädlichkeit das Passivrauchens ausgingen".

Damit sei der Nichtraucherschutz auch nicht mehr wie früher auf einzelne Räume beschränkt, sondern auf den gesamten Betrieb. Das Sozialgericht erkennt ausdrücklich an, Nichtraucher müssten sich nicht mit Kulanzregelungen wie beispielsweise rauchfreie halbe Tage oder einer Beschränkung der Anzahl der gerauchten Zigaretten zufrieden geben, wenn der Arbeitgeber seiner Schutzpflicht nicht durch bauliche, technische oder organisatorische Maßnahmen nachkommt.

Besonders hervorzuheben ist eine weitere Passage des Urteils: "Der Nicraucherschutz greife im Übrigen unabhängig davon, ob nichtrauchende Beschäftigte sich durch den Tabakrauch belästigt oder gesundheitlich beeinträchtigt fühlten oder nicht. Jede Zigarette sei zuviel."

Besonders interessant ist, dass die Richter des Hessischen Landessozialgerichts in diesem Punkt einem älteren Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 17.02.1998, Az.: 9 AZR 84/97) widersprechen, das allerdings lange vor der Veröffentlichung der DKFZ-Studie "Passivrauchen, ein unterschätztes Gesundheitsrisiko" gefällt wurde. Damals hatte das BAG noch die Pflichten eines Arbeitgebers in Bezug auf Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch als ausreichend umgesetzt angesehen, "wenn die Belastung der Atemluft nicht über das sonst 'übliche Maß' hinausgeht", wobei es "auf die persönliche Disposition des betroffenen Arbeitnehmers ankommen soll, ob für einen rauchfreien Arbeitsplatz Sorge getragen werden muss oder nicht".


Quellen und weitere Informationen:

Anmerkungen:

Die Entscheidung des Landessozialgerichts ist aus Sicht eines jeden betroffenen Arbeitnehmers ausdrücklich zu begrüßen. Unverständlich ist allerdings, dass die Bundesagentur für Arbeit (und damit letztendlich die Allgemeinheit) die Kosten zu tragen hat. Denn die Verantwortung für diese Entwicklung trägt der Arbeitgeber, der seinem Arbeitnehmer nicht nur eine Lösung des Problems (was nach Paragraf 5 der Arbeitsstättenverordnung seine Pflicht ist) ausdrücklich verweigert hat, sondern ihn geradezu zum Verlassen der Firma gedrängt hat. Damit sollten dem uneinsichtigen Arbeitgeber sämtliche Kosten in Rechnung gestellt werden, vom Arbeitslosengeld bis zu den Gerichtskosten.
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