Aktiv Rauchfrei
  Startseite  >  Archiv  >  2006  >  Oktober  >  Schweinefleisch genießt mehr Schutz als...
Fotodokumentationen

Schweinefleisch genießt mehr Schutz als Menschen

Fatale Glaubensbekenntnisse deutscher Politiker

[31.10.2006/pk] "Schon vor etlichen Jahren wurde in der Bundesrepublik Deutschland ein Fleischer zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er neben aufgehängtem Schweinefleisch geraucht hatte. Eines solchen gesetzlichen Schutzes und der Gleichbehandlung mit totem Schweinefleisch können sich Passivraucher noch nicht erfreuen."

Diese Meldung erschien vor fast zwei Jahrzehnten in der Frankfurter Rundschau, hat inzwischen jedoch leider nichts an ihrer Aktualität eingebüßt. Ursache für das Fortbestehen dieser anachronistischen Zustände sind die fatalen Glaubensbekenntnisse deutscher Politiker. Fatal deshalb, weil jedes Jahr tausende Menschen für das Zaudern der Politiker mit ihrem Leben und ihrer Gesundheit bezahlen.

Bundesfamilienministerin von der Leyen glaubt nicht, dass ein Rauchverbot irgendetwas bringt. Der thüringische Ministerpräsident Althaus glaubt nicht, dass man mit einem Rauchverbot ein Umdenken bewirken könnte. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion Ernst Burgbacher und der drogenpolitische Sprecher der FDP Detlef Parr glauben, dass die Gastronomie durch ein Rauchverbot 60-prozentige Umsatzeinbußen zu verzeichnen hat. Die Liste derartiger Glaubensbekenntnisse deutscher Politiker ist lang.

Es ist erschütternd, wie wenig unseren Politikern das Wohl des Volks, das sie vertreten sollten, am Herzen liegt. Alle zuvor erwähnten Maßnahmen, an deren Sinn und Wirkung unsere Politiker partout nicht glauben wollen, wurden bereits in einer Reihe europäischer Staaten mit Erfolg umgesetzt. Weitestgehende Rauchverbote werden in etlichen europäischen Ländern erfolgreich gelebt. Aber in Deutschland wollen es die verantwortlichen Politiker nicht einmal versuchen. Sie verschenken die Chancen des Volkes. Als Entschuldigung muss der Glaube einzelner Volksvertreter herhalten.

Diese Glaubensbekenntnisse sind gewissermaßen zur Dauereinrichtung uneinsichtiger (oder vielleicht durch die Tabaklobby anderweitig "motivierter"?) Politiker geworden. Diese eigensinningen Volksvertreter schlagen damit einfach die Arbeit und die Ergebnisse renommierter Forscher und Forschungsinstitute in den Wind. Denn inzwischen kann sich kein Bundestagsabgeordneter mehr auf seine Unkenntnis berufen - neben der intensiven öffentlichen Diskussion wurden sie alle auch persönlich informiert.

Aber es gibt noch eine weitere Abwiegelungstaktik, die unsere Volksvertreter mit Vorliebe anwenden, wenn die ohnehin dürftigen Argumente für ihre Unterstützung der Tabaklobby erschöpft sind. Aus der Trickkiste werden dann die alten Kunstgriffe herausgezogen. Beispielsweise Klagen über eine "überbordende Gesetzesfülle", oder der Hinweis auf eine "exzessive gesetzliche Regulierung in allen Lebensbereichen".

Das sind die selben Politiker, die fast wie am Fließband neue Gesetze verabschieden. Die wenigsten Gesetzesneuerungen und -änderungen gestatten dem Bürger mehr Freiheiten, sondern beinhalten fast ausschließlich neue Einschränkungen und Verbote. Dies trifft auch im Bereich des Gesundheitswesens zu, dem derzeit größten Sorgenkind unseres Landes. Dass unsere Politiker nun gerade in diesem Bereich das drängendste Problem völlig ausklammern und ausgerechnet beim Rauchen eine geradezu irrsinnige Freiheit propagieren, zeugt von mangelndem Verantwortungsbewusstsein.

Kein Bereich unserer Solidargemeinschaft ist dringender darauf angewiesen, ein falsch verstandenes Freiheitsverständnis gegenüber der schädlichsten Alltagsdroge zu revidieren. Rauchen stellt die größte vermeidbare Gesundheitsschädigung dar. Unser Gesundheitssystem steht vor dem Kollaps, und das Rauchen versetzt ihm den Todesstoß.

Die Bundesrepublik Deutschland hat die Tabakrahmenkonvention der WHO ratifiziert. Damit hat Deutschland vertraglich anerkannt, "dass wissenschaftliche Untersuchungen eindeutig bewiesen haben, dass Passivrauchen Tod, Krankheit und Invalidität verursacht". Weiterhin hat sich die Bundesrepublik vertraglich verpflichtet, "heutige und künftige Generationen vor den verheerenden gesundheitlichen, gesellschaftlichen, umweltrelevanten und wirtschaftlichen Folgen des Tabakkonsums und des Passivrauchens zu schützen".

Dieses Ziel müssen endlich alle Politiker in Angriff nehmen. Anstatt die damit verbundenen Probleme weiter zu zerreden und durch eigenbrötlerisches Verhalten zu sabotieren, müssen sich unsere Volksvertreter auf ihre Verantwortung für die Bevölkerung besinnen. Jeder Politiker, dem die erforderliche Einsicht fehlt, oder vielleicht auch nur der Glaube daran, der sollte einfach einmal über den Tellerrand nach Irland, Italien oder Schweden sehen.


Quellen und weitere Informationen:

Beschwerdeautomat
Raucher werden weder diskriminiert noch ausgeschlossen
Gesundheitsgefährdung durch Passivrauchen
Feinstaub wird nicht nur von Kraftfahrzeugen produziert
Rauchverbot kostet nichts
Tabaklobby
Politik
FDP
Detlef Parr
Gesundheitswesen
Inlandspolitik
Verkauf von Zigaretten mit Aromakapsel in Deutschland illegal
Sponsoring des ZDF-Sommerfests durch Philip Morris
Wie die Tabakindustrie die Politik untergräbt, behindert und manipuliert
Wissenschaftler fordern Verbot von Mentholkapsel-Zigaretten
Internationale Tabakkonzerne wollen Staaten das Fürchten lehren
Deutsches Krebsforschungszentrum fordert sofortigen Stopp für Zigarettenwerbung
Nichtraucherschutzgesetze verstoßen gegen UN-Kinderrechtskonvention
Aus für die Tabakwerbung im VORWÄRTS
Zigaretten werden ein bisschen weniger tödlich
Zoll hilft bei gezielter Verdrängung von Millionen Tabaktoten
Aktuelles
Tabak-Lobbying tötet
Zigarettenverband setzt Marianne Tritz vor die Tür
Smartphone-Apps für Tabakwerbung missbraucht
Illegale Werbung: British American Tobacco verurteilt
Ethischer Kodex mit Biss
Verkauf von Zigaretten mit Aromakapsel in Deutschland illegal
Familienfreundliche Festzelte und Brauchtumsveranstaltungen sind rauchfrei
Zusatzstoffe verstärken das Gesundheitsrisiko von Zigaretten
Grünes Licht für Einheitsverpackung in Australien
Sponsoring des ZDF-Sommerfests durch Philip Morris