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Feinstaubalarm auf dem Oktoberfest

Messungen im Bierzelt liefern erschreckende Werte

[15.10.2005/pk] Alle Jahre wieder findet in München eines der weltweit größten Volksfeste statt, das Oktoberfest. Oberbürgermeister Ude versuchte in diesem Jahr erstmals, dem Image vom größten Massenbesäufnis der Welt gegenzusteuern, und das Oktoberfest familienfreundlicher zu gestalten. Dennoch beklagen sich viele darüber, auf diesem Volksfest diskriminiert und ausgeschlossen zu werden, weil eine unerträgliche Tabakrauchbelastung herrscht. Insbesondere in den Bierzelten ist die Luft geradezu zum Schneiden, und es gibt kein einziges rauchfreies Zelt, nicht einmal an den viel gepriesenen "Familientagen".

Seit Jahren ernten die Verantwortlichen zunehmende Kritik für die Schadstoffbelastung auf dem Oktoberfest. Doch bei den Wies'n-Wirten, dem Münchner Oberbürgermeister Ude und seiner Fremdenverkehrschefin Weishäupl stehen die Ampeln auf stur und taub. Um die Forderungen nach angemessenen Angeboten für Nichtraucher und Familien zu unterstreichen, führte nun die Nichtraucherinitiative München (NIM) eine Partikelmessung in den Festzelten durch.

Die Ergebnisse sind haarsträubend. In etlichen Fällen zeigte das Messgerät Werte bis zu 300 Mikrogramm pro Kubikmeter an. Damit ist der Grenzwert für Feinstaub von 50 Mikrogramm um 500 Prozent überschritten. Der Toxikologe Prof. Dr. Friedrich Wiebel, der die Messungen durchführte, beklagt die Gesundheitsbelastung für Besucher und vor allem für das Personal. Eine Wies'n-Kellnerin ist damit dem Vielfachen der Belastung eines Polizisten an der berüchtigten Landshuter Allee ausgesetzt, die in den Nachrichten gerne als abschreckendes Beispiel für extreme Feinstaubbelastung genannt wird.

Bei derart schockierenden Ergebnissen kann es eigentlich nur eine Konsequenz geben, nämlich ein sofortiges Rauchverbot. Auch sind 70 Prozent der Wies'n-Besucher keine Raucher. Nach einer repräsentativen Umfrage begrüßt eine Mehrheit aller Befragten ein rauchfreies Festzelt. Dennoch verweigern sich die Wirte kategorisch derartigen Wunschträumen. Lapidare Sprüche werden zur Abwehr angeführt, wie "ein Rauchverbot könnte der Atmosphäre schaden". Der Vorschlag, überdachte Raucherplätze im Freien einzurichten, stößt ebenfalls auf Ablehnung, weil man dann ja seinen Platz im Zelt verliert, "und die Lust gleich dazu". Die Lust der Nichtraucher am unverfälschten, rauchfreien Genuss, die durch den Frust exzessiver Tabakqualmbelastung völlig zerstört wird, scheint bei deutschen Gastronomen trotz der in diesem Jahr mir der Bundesregierung getroffenen Vereinbarung weiterhin vollkommen irrelevant zu sein.

Dabei ist die Feinstaubbelastung im Wies'n-Zelt trotz der Höhe der Zelte ebenso hoch wie in einer Kneipe. Zudem sind weitere zahlreiche giftige und Krebs erregende Substanzen im Tabakqualm enthalten, wie Benzpyren, Blausäure, Kohlenmonoxid oder Formaldehyd. Laut Prof. Wiebel ist Tabakqualm das reinste "Kampfgas". Er verweist auf eine US-Studie, nach der die Gefahr einer Krebserkrankung im Gastronomiegewerbe doppelt so hoch ist, wie bei Beschäftigten anderer Berufsgruppen.


Quellen und weitere Informationen:

Anmerkungen:

Trotz aller Lippenbekenntnisse zu Familienfreundlichkeit, Gesundheitsbewusstsein oder rauchfreier Gastronomie zeigt sich gerade beim Münchner Oktoberfest wieder einmal, wie stark unsere Realität durch den Würgegriff der Tabaklobby bestimmt wird. Solange Philip Morris in München Gewerbesteuern zahlt - und Drogenproduzenten führen bekanntermaßen ein einträgliches Dasein - solange wird sich auch Oberbürgermeister Ude lieber die Zunge abbeißen, als auch nur ein einziges Wort für den Nichtraucherschutz verlauten zu lassen. Bestes Beispiel hierfür ist seine kategorische Weigerung, die Dienstanweisung der Landeshauptstadt München zum Schutz der Mitarbeiter vor Tabakqualm am Arbeitsplatz zu unterschreiben. Aber es bleibt immer noch die Hoffnung darauf, dass der US-Tabakmulti Philip Morris doch noch eines Tages die Überlegungen in die Tat umsetzt, seinen Standort München zu schließen...
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