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Türkei überholt Deutschland beim Nichtraucherschutz

Einwohner und Touristen können im "Land der guten Luft" aufatmen

[25.07.2009/pk] Die Türkei gewinnt als Urlaubsland neue Freunde. Denn nach einem 14-monatigen halbherzigen Rauchverbot, das nur in wenigen Bereichen einen gewissen Schutz vor rücksichtslosen Qualmern bot, macht das Land am Bosporus nun endlich Nägel mit Köpfen. Seit dem 19. Juli ist das sehnlichst erwartete verbesserte Nichtraucherschutzgesetz endlich in Kraft.

In der ersten Phase war bereits ein Rauchverbot in öffentlichen Verkehrsmitteln, Sportstätten und Behörden eingeführt worden. Die zweite Stufe schützt nun vor dem gesundheitsschädlichen Tabakqualm "überall, wo Menschen öffentlich in geschlossenen Räumen zusammenkommen". Rauchfrei sind nun Bars, Kaffeehäuser, Tanzlokale und Nachtklubs, sowie Restaurants. Insbesondere gilt das Rauchverbot auch auf überdachten Terrassen, Spielplätzen und im Fernsehen. Anders als in Deutschland ist die neue gesetzliche Regelung keine Alibi-Aktion der Regierung ohne praktische Wirkung. Denn in der Türkei wird dieses Rauchverbot konsequent umgesetzt, unter anderem motivieren empfindliche Geldstrafen auch renitente Qualmer zur Einhaltung der Gesetze.

Ähnlich wie beispielsweise in Irland oder Italien obliegt den Gastwirten eine besondere Verantwortung. Lassen sie uneinsichtige Raucher ungehindert weiter qualmen, so droht den Gastronomen eine Geldbuße zwischen 500 und 5000 Türkischen Lira, umgerechnet etwa 230 bis 2300 Euro. Der renitente Qualmer wird für jede illegal gerauchte Zigarette mit 69 Lira, das entspricht zirka 30 Euro, zur Kasse gebeten.

Dabei wird mitnichten eine Denunziantenkultur gefördert, wie einige deutsche Zeitungen fälschlicherweise behaupten. Niemand wird sofort verdonnert und abkassiert, wenn er versehentlich mit einer Kippe ins Rauchverbot läuft, so wie es einige unqualifizierte Schreiberlinge irreführenderweise darstellen.

In einem solchen Fall wird der unaufmerksame Gast zunächst auf das Rauchverbot hingewiesen und gebeten, dass Rauchen einzustellen. Ignoriert der ermahnte Raucher diese Hinweise und Bitten, darf er laut den gesetzlichen Bestimmungen nicht mehr bedient werden. Erst wenn alle Ermahnungen nichts bewirken, so bleibt als letztes Mittel das Hinzuziehen der Polizei. Es kann im Zweifelsfall also kein Raucher behaupten, in die "Nichtraucherschutz-Falle" gegangen zu sein.

Wer von der Polizei zur Rechenschaft gezogen wird, der hat vorsätzlich gegen das Nichtraucherschutzgesetz verstoßen und bewusst alle Warnungen in den Wind geschlagen. Für renitente Fälle wurde eigens eine Hotline eingerichtet. Unter einer speziellen Nummer können auch per SMS direkt die mit dem Handy geschossenen Fotos übermittelt werden.

Vielen Türken war der mit dem Ausspruch "Rauchen wie ein Türke" verbundene zweifelhafte Ruhm seit langem ebenso zuwider, wie die Ausdünstungen durch Tabakdrogenkonsum. Nun heißt die Devise "Die Türkei - das Land der guten Luft". Neben den positiven Auswirkungen auf die Gesundheit bedeutet das einen weiteren Pluspunkt für das beliebte Reiseland zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer. Denn auch für die europäischen Gäste, die den Hauptteil der Touristen Anatoliens stellen, gewinnt das Gesundheitsbewusstsein zunehmend an Bedeutung.

Der Rückhalt in der Bevölkerung ist groß. Umfragen zu Folge stehen bis zu 90 Prozent der Bevölkerung dem Rauchverbot positiv gegenüber. In der Türkei stellen Nichtraucher ohnehin die Bevölkerungsmehrheit, so dass es nicht verwundert, dass diese Nichtraucher in den Umfragen äußern, sie würden nun öfter ausgehen. Selbst viele Raucher bekunden, dass sie kein Problem damit hätten, zum Rauchen kurz vor die Tür zu gehen. Auch die Rücksicht gegenüber den Kindern spielt - ganz anders als im ignoranten Deutschland - eine große Rolle.

Wie auch bei der vor einem halben Jahr gestarteten kulanteren Probephase veranstalteten einige wenige ein großes Getöse um das Rauchverbot. Dennoch lief es ohne größere Reibungen an, die Menschen gewöhnten sich schnell und ohne größere Proteste an die neue Regelung. So wird auch nun bei der Umsetzung nicht mit größeren Zwischenfällen gerechnet. Nur ein paar unverbesserliche Sturköpfe können sich noch nicht recht mit dem neuen Lebensgefühl anfreunden.

"Der Spiegel" berichtet weinerlich von einem Teehausbesitzer, "wenn das, wovon er jahrelang seinen Lebensunterhalt bestritten hat, plötzlich illegal ist, muss er den Laden wohl dichtmachen". Aber von "plötzlich illegal" kann keine Rede sein. Denn es war seit langem bekannt, wie die gesetzliche Entwicklung des Rauchverbots verlaufen sollte. Doch ähnlich wie in Deutschland haben so manche Wirte sämtliche Zeichen der Zeit ignoriert und jegliche Warnung in den Wind geschlagen. Wie der ein oder andere Wirt unverhohlen zugibt, haben die Gastronomen blind auf die Sucht gesetzt und darauf vertraut, dass sich die Raucher einfach nicht an die Gesetze zum Schutz vor Zwangsmitrauchen halten.

Nun werden diese Wirte, die sämtlichen Gesetzen der Marktwirtschaft zuwider handeln, von der Realität eingeholt. Aber selbst mit einem Bankrott vor Augen sind einige nicht bereit, ihr überholtes Geschäftsmodell einer Fixierung auf (Nikotin-)Drogensüchtige zu überdenken. Zu lange haben sie blind auf den Slogan der Tabakindustrie vertraut, dass Raucher die besseren Gäste seien. Dabei haben sie fatalerweise völlig übersehen, dass diese Denkweise nur im Sinne der Nikotindrogenproduzenten ist. Den Niedergang der Gastronomie durch dieses Geschäftsmodell haben die Kippenhersteller billigend zu ihrem eigenen Vorteil (die Raucherzahlen möglichst hoch zu halten) in Kauf genommen.

Wie die "Welt" mitteilt, ist in der Türkei bereits "seit längerer Zeit ein Teehaus-Sterben zu beklagen". Dennoch wiederholt auch diese renommierte Tageszeitung unreflektiert die Platitüden der Tabaklobby, die diesen Niedergang nun dem Rauchverbot anlasten möchte.

Aber die unqualifizerten Schreiberlinge der "Welt" warten in ihrer unseriösen Berichterstattung mit weiteren Verunglimpfungen auf. Sie vergleichen den türkischen Ministerpräsidenten Tayyip Erdogan, der sich ebenfalls für den Nichtraucherschutz einsetzt, sogar mit dem mittelalterlichen Sultan Murad IV. Von jenem wird kolportiert, "er sei persönlich inkognito und sogar nachts durch Istanbuls Straßen und Tavernen gezogen, um Raucher zu erspähen und auf der Stelle hinrichten zu lassen".

Boris Kalnoky, der für den jämmerlichen Abgesang "Türkei nimmt Abschied von der Wasserpfeife" in der "Welt" verantwortlich zeichnet, stänkert sogar noch weiter gegen den türkischen Ministerpräsidenten, den er als "Murads moderne Reinkarnation als Kämpfer wider den Qualm" schmäht. Voreilig und unreflektiert ereifert sich der Schreiberling über Erdogan, der "Rauchen sogar als schlimmer oder zumindest ebenso schlimm wie Terrorismus bezeichnet".

Bei diesen Äußerungen hat Kalnoky offensichtlich schneller geschrieben als nachgedacht. Denn das Rauchen kostet in der Türkei jährlich mehr als 100.000 Menschen das Leben, ein Vielfaches der Anzahl der Terrorismusopfer. Natürlich lässt sich das Problem nicht durch einfache Zahlenspielereien mit Todesopfern umfassend beschreiben. Aber die Tragweite und die Größenordnung der Opfer der Tabakdroge ist in der Tat erschreckend. So ist es nur konsequent, dass die Türkei nun dem Beispiel anderer fortschrittlicher Länder folgt. Und immerhin resultierte bereits die erste Phase des Rauchverbots in einem Rückgang der Raucher um sieben Prozent.

Fazit: Türkische Verhältnisse kann man sich in Deutschland nur wünschen, wenigstens was den Nichtraucherschutz betrifft. Vielleicht wehren sich ja gerade deshalb Bundeskanzlerin Merkel und CDU/CSU so vehement gegen einen EU-Beitritt der Türkei, weil sie nicht noch ein erfolgreiches Land bei der Bekämpfung der Tabakepidemie als weiteres positives Vorbild in der Gemeinschaft ertragen können...?


Quellen und weitere Informationen:

Beschwerdeautomat
Beschwerde über Verstoß gegen Gleichstellung behinderter Menschen
Petition zum Schutz der Beschäftigten in der Gastronomie vor Zwangsmitrauchen
Abschiedsbrief an Restaurant wegen Rauchbelastung
Anfrage nach rauchfreien Restaurants
Gastronomie
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Rauchfreie Gastronomie in Deutschland auf Erfolgskurs
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